27. Kolloquium zur Polizeigeschichte

06.07.2017 | Kategorien: Allgemein

Das Kolloquium zur Polizeigeschichte fand anlässlich des Bochumer Historikertags 1990 erstmalig statt. Interessierte Polizeihistoriker/innen, Sozialwissenschaftler/innen und gelegentlich auch Polizist/innen treffen sich seither einmal jährlich im In- oder Ausland, um aktuelle Ansätze und Entwicklungen einer sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlich orientierten Polizeiforschung zu diskutieren.

Von Gerhard Fürmetz/Bernhard Gotto 

Das Kolloquium ist offen für alle polizeigeschichtlich Interessierten, und es lädt besonders jüngere Wissenschaftler/innen ein, ihre Forschungen vorzustellen.
Das 27. Kolloquium zur Polizeigeschichte in München wird sich mit zwei thematischen Schwerpunkten beschäftigen:

1. Polizei und „NS-Belastung“ – Auswirkungen der NS-Vergangenheit in den Nachkriegspolizeien in Deutschland und Europa

Zur Geschichte der Polizei im NS-Deutschland wurde im letzten Jahrzehnt verstärkt geforscht, begleitet von viel beachteten Ausstellungen. Dabei wurden meist nur kurze Blicke auf die Nachwirkungen der nationalsozialistischen Polizeipraxis und ihrer Protagonisten in der Zeit nach 1945 gerichtet. Inzwischen hat sich der Fokus verschoben: Mehrere Polizeiorganisationen in der Bundesrepublik auf Bundes- und auf Länderebene wie zum Beispiel das Bundeskriminalamt haben damit begonnen, ihre Geschichte im neuen demokratischen Staat wissenschaftlich mit Blick auf ihre jeweilige NS-Vergangenheit untersuchen zu lassen. Hinzu kommen Studien zu verschiedenen Aspekten der Nachkriegspolizei in West- und Ostdeutschland, die seit den 1990er Jahren entstanden sind und aktuell weiter entstehen.

Die Tagung will an diese Forschungen anknüpfen und gezielt nach „NS-Belastungen“ in weit gefasstem Sinn in den Polizeien in Deutschland, aber auch in dessen Nachbarländern fragen. Neben personellen (Dis-)Kontinuitäten und Netzwerken sollen vor allem Nachwirkungen im konzeptionellen Denken und im praktischen Handeln der Schutz- und Kriminalpolizei im Kontext des Kalten Kriegs untersucht werden. Insbesondere die Interaktion zwischen den Polizeien und den Angehörigen von NS-Opfergruppen ist in dieser Hinsicht von Interesse. In den Blick zu nehmen sind dabei auch politische Steuerungsinstanzen wie die Innenministerien sowie Geheimdienstorganisationen mit Stoßrichtung nach innen, gerade in ihrem Verhältnis zu den klassischen Polizeikräften. Ausdrücklich erwünscht sind auch Beiträge, die sich vergleichend und/oder transfergeschichtlich mit Entwicklungen in den Nachbarländern der beiden deutschen Staaten oder mit Polizeikräften der Besatzungsmächte in Deutschland beschäftigen.

2. Polizei, Archiv und Forschung – Ressourcen und Wechselwirkungen

Polizeigeschichtliche Forschung braucht Archive, und Archive brauchen die Polizei als Aktenproduzenten und Provenienzbildner. Zwischen diesen unbestreitbaren Feststellungen eröffnet sich bei genauem Hinsehen ein breites Spektrum an Wechselwirkungen. Forscher fragen nach Kriterien und Lücken der Überlieferungsbildung, erstreben ungehinderten Aktenzugang und erwarten eine zuverlässige Erschließung. Archivare haben Forschungsinteressen mit schutzwürdigen Belangen Betroffener und mit der bisweilen skeptischen Vorsicht der Sicherheitsorgane in Einklang zu bringen, und sie müssen dafür sorgen, dass einschlägige Unterlagen übernommen, aufbereitet, konserviert und zugänglich gemacht werden.

Wir wollen die Gelegenheit nutzen, dass das Kolloquium zur Polizeigeschichte erstmals in einem öffentlichen Archiv zu Gast ist, uns mit dem Spannungsfeld Polizei, Archive und historische Forschung zu beschäftigen. Exemplarisch sollen polizeigeschichtlich relevante Archivbestände des 19. und 20. Jahrhunderts sowie deren Quellenwert und Erschließung vorgestellt werden, verbunden mit Fragen der Aktenaussonderung bei Polizeibehörden und der Überlieferungsbildung im Bereich öffentliche/innere Sicherheit und Ordnung. Hier wäre neben dem archivarischen auch ein polizeilicher Blick von Interesse – beide Perspektiven sollten bei der Tagung vertreten sein. Schließlich muss es um die Erwartungen von Forschenden an polizeigeschichtliches Quellenmaterial in Archiven und um die forschungspraktischen Erfahrungen mit diesen Ressourcen gehen.

Über diese thematischen Schwerpunkte hinaus soll es – wie bei den bisherigen Kolloquien zur Polizeigeschichte – eine freie Sektion geben, in der die Möglichkeit besteht, jenseits der beiden Rahmenthemen Werkstattberichte und laufende Forschungsprojekte vorzustellen.

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Für Referent/innen werden die Reise- und Übernachtungskosten übernommen.

Bitte reichen Sie Vorschläge für Beiträge zu beiden Themenschwerpunkten und zur freien Sektion (Abstracts mit maximal 500 Wörtern) und einen kurzen wissenschaftlichen Lebenslauf bis zum 20.5.2017 per E-Mail ein. Wir freuen uns auf Ihre Ideen und auf eine anregende Tagung!

Kontakt
Gerhard Fürmetz, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, gerhard.fuermetz@bayhsta.bayern.de
PD Dr. Bernhard Gotto, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, gotto@ifz-muenchen.de

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