Die Polizei Osnabrück und das Ende einer Demokratie

10.10.2017 | Kategorien: PoliZeitGeschichten
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Die Einsatz-Tagebücher wurden handschriftlich geführt.

Polizeimuseum übergibt einzigartige historische Unterlagen ans Archiv Osnabrück 

Viele Schätze schlummern in den Kellern und vergessenen Abstellkammern der Polizei Niedersachsen und warten auf ihre Entdeckung. Nicht immer gelingt es, die meist unscheinbar wirkenden Gegenstände oder Dokumente aufzuspüren und vor der Vernichtung zu bewahren. 

Aber manchmal führt uns der Zufall doch zum Erfolg. So auch vor gut einem Jahr, als wir in Hann. Münden in Akten der ehemaligen Landespolizeischule stöberten. Zwischen den Ordnern stießen wir auf Unterlagen des „Polizeirevier Altstadt“ in Osnabrück: eine Akte mit Erlassen und Verfügungen aus den Jahren 1927-1937 sowie zwei Einsatz-Tagebücher aus den Jahren 1931-1933 und 1936-1937. 

Was diese Unterlagen besonders macht? Es ist vor allem die Zeit, in der sie entstanden: die Zeit des Untergangs der Weimarer Republik und der Etablierung des Nazi-Regimes. Sie spiegeln diesen Übergang von der Demokratie zur Diktatur wider.  

Da ist die Akte: Sie zeigt, wie auch durch Anordnungen die nationalsozialistische Ideologie in der öffentlichen Verwaltung etabliert wurde. Wenige Beispiele: In einem Erlass vom 22.6.1933 wird jegliche Kritik von Angehörigen des öffentlichen Dienstes an inneren Zuständen der Behörden als „marxistische Hetze“ eingestuft. Wer kritisierte setzte sich der Gefahr der Denunziation und Verfolgung aus. Am 22.5.1934 wird per Erlass die Bevorzugung von Angehörigen u.a. der SA, SS und NSDAP bei Neueinstellungen festgelegt. 

Ab dem 12.8.1935 wird untersagt bei jüdischen Mitbürgern zur Miete zu wohnen:

„Es muss verlangt werden, dass Beamte des nationalsozialistischen Staates von Juden Leistungen irgend welcher Art nicht annehmen. (…) Sollte sich einer von ihnen [den Beamten, Anm. Autor] grundsätzlich weigern, bitte ich dies mir zu melden, damit ich die Angelegenheit dem Herrn Minister zur Entscheidung vortragen kann.“

Und da sind die handschriftlich geführten Einsatz-Tagebücher: Sie sind echte Einzelstücke und erlauben einen einmaligen Blick auf die tägliche Polizeipraxis der Übergangszeit. Sie können zeigen, wie die Erlasse und Verfügungen praktisch umgesetzt wurden und so die Diktatur auf die Straße, in den Alltag getragen wurde. 

Die Einsatz-Tagebücher wurden handschriftlich geführt.
Die Einsatz-Tagebücher wurden handschriftlich geführt.

Am 1.3.1933 ist etwa zu lesen, dass die Polizei politische Flugblätter beschlagnahmt. Der unscheinbar wirkende Vorfall bekommt durch den historischen Kontext Brisanz: Kurz zuvor, in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar, ging der Reichstag in Flammen auf. Die Nationalsozialisten  nutzten dies um noch am 28. Februar per Verordnung die Grundrechte der Weimarer Verfassung de facto außer Kraft zu setzten. Unter anderem wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung beschränkt. 

Wie die Unterlagen ausgerechnet in Hann. Münden landeten, ist nicht mehr nachvollziehbar. Laut Gesetz muss aussortiertes Schriftgut dem zuständigen Archiv angeboten werden. Im Falle der gefundenen Unterlagen war das offensichtlich nicht geschehen. Für das Polizeimuseum war es nur folgerichtig, diese einzigartigen Schriftstücke dem Archiv in Osnabrück zukommen zu lassen. 

Tagebuch Eintrag über die „Einziehung von Flugblättern“
Tagebuch Eintrag über die „Einziehung von Flugblättern“

Am 10. Oktober fand die Übergabe an das Archiv in der PD Osnabrück statt. Für das Archiv schließt sich damit eine Lücke: Durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg existieren kaum Unterlagen dieser Zeit. Verloren sind diese einzigartigen Stücke für das Polizeimuseum aber nicht: Das Archiv hat dem Museum die zwei Tagebücher gleich wieder zur wissenschaftlichen Auswertung ausgeliehen. Sie werden wahrscheinlich in der für Ende 2018 geplanten Sonderausstellung zur Polizei in der Weimarer Republik präsentiert. 

Autorin: Barbara Riegger (Polizeimuseum Niedersachsen)

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