Auschwitz – ein schwerer Weg für einen deutschen Polizisten

28.05.2016 | Kategorien: PoliZeitGeschichten
Der Förderkreis für Polizeigeschichte Niedersachsen e.V. möchte Ihnen an dieser Stelle die Möglichkeit bieten, Ihren eigenen Beitrag zur niedersächsischen Polizeigeschichte einzubringen. Hier stellen wir Ihnen eine Plattform zur Verfügung, Ihre Erfahrung und Ihr Wissen in die Öffentlichkeit zu bringen. Machen Sie mit und senden Sie uns Ihren Artikel an info@polizeigeschichte-niedersachsen.de !

Autor: Dr. D. Götting

Die Bilder – die kennt man – aus dem Fernsehen, aus dem Internet oder aus unzähligen Veröffentlichungen. Der in eisernen Lettern geschmiedete Spruch „Arbeit macht frei“. Eine an Zynismus kaum zu überbietende Versprechung. Sie suggeriert, dass derjenige, der durch das Tor gehen muss, es noch beeinflussen kann, ob er wieder herauskommt – wenn er nur fleißig und gehorsam ist.

Doch so war es nicht! Die eisernen Lettern über dem Lagertor waren nur Teil eines ausgefeilten Mordplanes, der aus Verschleierung, Täuschung und Arbeits- bzw. Verantwortungsteilung geschmiedet worden war. Unzählige Menschen fielen diesen heimtückischen Planungen zum Opfer. Und das, ohne dass sie irgendjemandem irgendetwas getan hatten. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort.

Und die Täter? Neben Überzeugungstätern, die es auch gab, waren es in den meisten Fällen Menschen die glaubten – oder glauben wollen – nur ihre Pflicht tun zu müssen. Sie hatten nicht persönlich etwas gegen ihre Opfer und nach den Taten lebten sie genauso unbescholten weiter wie zuvor. Waren also auch die Täter nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Schwer vorstellbar, kaum zu akzeptieren und doch nicht ganz ohne Wahrheit. Wenn ein Verwaltungsapparat zu einer Mordmaschinerie mutiert, dann verschwinden die Täter in der Anonymität der Funktionsträgerschaft.

Wer aktuell die Urteilsbegründung des Landgerichts Lüneburg im Fall Oskar Grönings liest, der erfährt viel über ein System, das mit Heimtücke gegenüber den Opfern agierte, fast schon banal arbeitsteilig funktionierte und aus Opfern Opfer und aus Tätern Täter machte. Auf der Rampe in Auschwitz Birkenau trafen Menschen aufeinander, die bis dahin beide nichts Unrechtes getan hatten. Nur jetzt, an dieser Stelle trennten sich die Wege. Die einen wurden von den anderen umgebracht, grausam und heimtückisch.  

Auschwitz und die anderen Vernichtungslager waren Menschenschlachthöfe. Sie erscheinen einem heute wie aus einer apokalyptischen Utopie. Man fühlt sich an die düsteren auf Leinwand gebrachten Höllenvorstellungen eines Hyronimus Bosch erinnert, wenn man die Berge von menschlichen Hinterlassenschaften sieht. Die Haare, Gebisse, Brillen und Schuhe waren für die Weiterverwertung gedacht. Völlig unwirklich erscheinen auch Fotoaufnahmen von der tödlichen Selektion auf der Rampe im strahlenden Sommerwetter 1944. Man ist beinahe froh, dass es keine Farbaufnahmen sind.

Doch was hat das Grauen von Auschwitz mit der deutschen Polizei von 2016 zu tun? Ich glaube eine ganze Menge!

Denn Auschwitz ist auch der Ort, an dem sich Polizeigeschichte widerspiegelt. So waren es in aller Regel Polizisten, die im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes ihre jüdischen Mitbürger zu den Sammelorten für den Abtransport einbestellten, bis in die Gettos oder Konzentrationslager begleiteten und bewachten.

Es waren Polizisten der Geheimen Staatspolizei, die politische Gegner des Nationalsozialismus in die Lager einwiesen. Und es waren ganz normale Kriminalbeamte und Frauen der weiblichen Kriminalpolizei, die Menschen als Berufs- und Gewohnheitsverbrecher stigmatisierten und auf Dauer in die gleichen Lager sperren ließen.

Auschwitz ist ein Teil unserer kollektiven Geschichte als Deutsche. Wir tragen zwar keine Schuld am Handeln der Menschen in dieser Zeit – aber wir haben unseren Teil an Verantwortung dafür zu übernehmen, dass das was damals wie passiert ist, nicht vergessen, sondern aufgearbeitet wird und bewusst bleibt.

Genau dieser Verantwortung haben sich Anfang April junge deutsche Polizeiangehörige im Rahmen eines gewerkschaftlichen Bildungsseminars in Krakau gestellt. Sie haben die Gedenkstätte Auschwitz besucht und sich anschließend in Workshops mit dem auseinander gesetzt, was sich ihnen dort an Eindrücken geboten hat. Und sie haben sich dann genau mit der Frage der Relevanz beschäftigt, nämlich wie gehen wir mit unserer eigenen Geschichte um?

Die Beschäftigung mit Polizeigeschichte ist nicht Standard in der Aus- und Fortbildung von Polizeiangehörigen in Deutschland. Deshalb ist es besonders wichtig, dass zumindest diejenigen, die sich aus eigenem Antrieb mit der Polizei im NS-Staat auseinander setzen möchten, auch Gelegenheit dazu bekommen. Ich spreche deshalb den Organisatoren und Teilnehmern der Veranstaltung in Krakau meinen Dank und Respekt aus. Sich in Zeiten, in denen rechtes Gedankengut in Deutschland und Europa wieder zunehmend an Boden gewinnt, sich mit den Folgen einer solchen Politik auseinanderzusetzen, erfordert Einsicht, Engagement und Courage.

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