Ein Brettspiel als Zeitzeuge
Neues Ausstellungsprojekt „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer. Die niedersächsische Polizei in der Weimarer Republik“
„Der gute Schupo“ heißt die neuste Erwerbung für die Sammlung des Polizeimuseums. Es ist der Name eines Brettspiels, mit dem Kindern einst das richtige Verhalten im Straßenverkehr spielerisch beigebracht wurde. Zu sehen auf dem Spiele-Cover sind zwei Kinder, die an der Hand eines uniformierten Mannes die Straße überqueren. Es ist der „Schupo“, der sie sicher durch den Großstadtverkehr führt.
„Schupo“, das ist die Abkürzung für „Schutzpolizist“ – die offizielle Bezeichnung der städtischen Polizei in der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik (1918 bis 1933). Aus dieser Zeit stammt dieses Exemplar des Spieles. Der Förderkreis für Polizeigeschichte Niedersachsen e. V. hat das seltene Stück für das Museum erworben. Es wird eines der zentralen Exponate für die neue Ausstellung des Polizeimuseums zur niedersächsischen Polizei in der Weimarer Republik sein. Die Ausstellung wird voraussichtlich im Oktober im Niedersächsischen Landtag eröffnet.
Doch was macht das Brettspiel – abgesehen davon, dass es einen Polizisten zeigt – so besonders? Es ist die Zeit in der es entstanden ist und das Bild, das es von „Polizei“ zeichnet.
Die Weimarer Republik ist ein oft ausgeblendeter, wenig bekannter Teil deutscher Geschichte. „Zwischenkriegszeit“ oder „Vorgeschichte des Nationalsozialismus“ sind die Stichworte, die ins Gedächtnis kommen. Und tatsächlich waren der ersten deutschen Demokratie nicht einmal 15 Jahre beschieden. Schon während der Weimarer Republik bauten die Nazis ihren Einfluss aus. Die Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 markiert das Ende der Demokratie und den Beginn der nationalsozialistischen Diktatur.
Doch die Weimarer Republik war nicht von vornherein chancenlos und zum Scheitern verurteilt. Ihre Innovationskraft, besonders in Kunst und Kultur, wirkt bis heute nach. Auch die Polizei Niedersachsen wurde von ihr geprägt: Die Neuorientierung nach 1945 geschah sowohl vor dem Hintergrund der Verbrechen der NS-Zeit, als auch in Rückbesinnung auf die Polizeientwicklung in der Republik von Weimar. An viele Ideen und Reformen der Polizei der Weimarer Republik wird bis heute angeknüpft – so etwa an den Anspruch einer bürgernahen Polizei. Das in der Weimarer Republik neu geschaffene Selbstverständnis der Polizei als „Freund und Helfer“ war eine Abkehr vom Schutzmann-Soldaten der Kaiserzeit. Das Spiel „Der gute Schupo“ ist ein wunderbares Zeugnis dieses polizeilichen Imagewechsels.
Trotz aller Reformen und Innovationen scheiterte die Weimarer Republik. Die Gründe sind vielfältig. Zu vielen wirtschaftlichen Krisen kam der offene Kampf der antidemokratischen Kräfte gegen die Republik. Die Polizei wurde zwischen der Gewalt der extrem linken und extrem rechten Kräfte aufgerieben und in den bürgerkriegsähnlichen Zuständen selbst zum Straßenkämpfer. Als die Nationalsozialisten schließlich der Weimarer Demokratie den Todesstoß gaben, wurde die Polizei in kürzester Zeit zum Helfershelfer der Diktatur umgeformt und schließlich auch zum Täter.
Das Polizeimuseum widmet sich in der geplanten Ausstellung dieser zwiespältigen Entwicklung der Weimarer Polizei zwischen Freund und Helfer einerseits, und Straßenkämpfer andererseits. Ziel ist es unter anderem, das „Erbe Weimars“ in der heutigen Polizei Niedersachsen aufzuzeigen. Ebenso soll die Ausstellung zur Diskussion über die Frage nach der Fragilität einer freiheitlichen Demokratie anregen, gerade im Vergleich mit aktuellen Entwicklungen.
Die Ausstellung soll, nach ihrer Eröffnung und Präsentation im Landtag, im kommenden Jahr durch alle Direktionen wandern.
Foto: Brettspiel Das Spiel erschien erstmals 1926. Bis in die Fünfzigerjahre wurde es verkauft, mit immer wieder leicht verändertem Cover.
(Autorin: Barbara Rieger, Polizeimuseum Niedersachsen)
Siehe auch: http://republikpolizei.de/archive/367