Polizeiausbildung 1962

Autor: Erwin Knöll
Wo vor 50 Jahren auf dem Basaltkopfsteinpflaster des damaligen Kasernengeländes der LPSN eisenbeschlagene Stiefel im Gleichschritt unter militärischen Kommandos den Ton angaben, gehen heute die Studierenden der Polizeiakademie auf leisen Sohlen zu ihren Vorlesungen.

Welch ein Zeitwandel !
Zu jener Zeit warb die Polizei unter dem Motto “Ein Beruf fürs Leben” ihren Nachwuchs. Der Bewerber mußte mindestens 18 Jahre alt, Deutscher im Sinne des GG, nicht vorbestraft und polizeidiensttauglich sein, sowie die Körpergröße von 1,68 m und eine abgeschlossene Berufsausbildung haben.
Wer diese Voraussetzungen erfüllte, konnte an einem Auswahlverfahren teilnehmen. Von rund 1000 Bewerbern wurden etwa 100 ausgewählt und zur Ausbildung an der LPSN einberufen.

Einige der Bewerber wollten von vornherein keinen “Beruf fürs Leben” sondern mit der Grundausbildung gleichzeitig ihren Wehrdienst bei der Bundeswehr umgehen, der damit erfüllt war.
Man bedenke das Jahr 1962: Kubakrise und Weltkriegsgefahr.
Was viele von den jungen Polizeibeamten nicht wussten, war die Tatsache, dass ganz nebenbei noch eine militärähnliche Ausbildung stattfand und es den so- genannten Kombattantenstatus für die Polizei gab.(Im Kriegsfall in die Landesverteidigung eingebunden).Man sprach bei den militärischen Geländeübungen nicht vom Feind, sondern vom Störer. Es war immer die Rede von der Bekämpfung von Agenten aus der SBZ (sowjetische Besatzungszone).

Zu den Geländeübungen gehörte auch eine Nachtübung im Kaufunger Wald mit Karte und Kompass , bei der sich einige Kollegen weit in hessische Dörfer verirrten und erst bei Tagesanbruch zurückkehrten.
Für uns war dies jedoch neben den vielen Unterrichtsstunden und Klausuren in Rechtsfächern und Allgemeinbildung eine abwechslungsreiche und spannende Sache.
Übrigens: Morgens nach dem Wecken hörten wir gerne aus einem Transistorradio den DDR-Propagandasender (Freiheitssender 904). Er brachte die auch bei uns schon beliebte anglo-amerikanische Musik.
Wie war der Alltag in jener Zeit ?
Nach der Einkleidung und Unterbringung in 6-Mann Stuben erfolgte der erste Appell. Jeder, der bis dahin glaubte, er trage die erlaubte Haarfrisur, irrte sich gewaltig. Vorgeschrieben war ein kurzer Einheitshaarschnitt, den sich fast jeder bei dem Kasernenfriseur verpassen lassen mußte. Protest war vergebens. Wer nicht wieder mit seinem “Persilkarton” nach Hause fahren wollte, ging zum Friseur.
Morgens um 06.00 Uhr: Wecken durch wiederholte Lautsprecherdurchsagen von dem Ausbilder vom Dienst. Meldung des Stubenältesten an den AvD: Stube 203 mit 6 Wachtmeistern belegt: “Alles auf und gesund”..Danach Frühstücken auf der Stube, diese reinigen und Spind aufräumen. Antreten um 07.30 Uhr zum Morgenappell vor dem Unterkunftsgebäude.
Die Ausbilder (Gruppenführer) machten dem Spieß (Leiter Innendienst) Meldung.
Dieser verlas aus seinem Merkbuch den Dienstplan für den Tag und machte danach dem Hundertschaftsführer Meldung. Nach dessen Begrüßung: Guten Morgen 2. Lehrhundertschaft erwiderte diese: Guten Morgen, Herr Hauptkommissar.
Danach begann der Ausbildungstag nach Plan bis 17.00 Uhr.
Wochenend- und Familienheimfahrten ?
Einmal im Monat bestand die Möglichkeit von Freitagmittag bis Sonntagabend 22.00 Uhr auf Antrag nach Hause zu fahren.
Wer sonst den Standort Hann. Münden verlassen wollte, hatte ebenfalls ein Gesuch zu schreiben und genehmigen zu lassen.
Bei kleinen Vergehen, wie Staub auf dem Spind, Spind nicht aufgeräumt, PINUP-Girl im Spind oder Staubflusen in der Naht der Stiefelhose gab es keinen Ausgang, sondern Strafdienst wie Unterkunftswache am Wochenende oder Wachdienst in der Unterkunft (Wachtmeister vom Dienst).
Letztendlich hat jeder einmal unter den strengen Marotten der Ausbilder zu leiden gehabt. Aber, dies hatte zu einer außergewöhnlichen Kameradschaft geführt.
Das Ausbildungsjahr ging zu Ende, als die Schneider der Uniformfabrik kamen, um für eine neue Uniform mit “richtigen Wachtmeisterschulterstücken” Maß zu nehmen.
Nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung und einer zünftigen Abschiedsfeier, folgte die Abreise im neuen Wintermantel unter der Plane eines Mannschaftswagen zu den Dienstorten der Landesbereitschaftspolizei in Braunschweig oder Hannover.
Die Kollegen des 2. Zuges der 2. Lehrhundertschaft sind sich bis heute treu geblieben. Vier von Ihnen sind nicht mehr unter uns, sie bleiben jedoch in guter Erinnerung.

Polizeispiegel Juli/ August 2013
Erwin Knöll