Wiederaufbau der Polizei in Braunschweig 1945

28.11.2009 | Kategorien: PoliZeitGeschichten
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Autor:  Volker Dowidat

Rückblick

Im April 1945 rückte die amerikanische 30. Infanteriedivision unaufhaltsam auf Braunschweig zu. Die Bevölkerung der Stadt wurde durch Tieffliegerangriffe und Artilleriebeschuss zermürbt.

Noch am 6. April forderte der Gauleiter der NSDAP, Hartmann Lauterbach, die Bevölkerung mit den Worten „Lieber tot als Sklav“ zum fanatischen Kampf gegen die Feinde und zur Verteidigung der Stadt auf.

Für die Braunschweiger Polizei hieß dies, sog. Jagdkommandos zu bilden. Sie sollten bei evtl. Luftlandungen eingesetzt werden. Ferner wurde eine Kompanie „zur besonderen Verfügung“ zusammengestellt.

Am 9. April erging der Befehl, dass sämtliche Akten, Karteien und Unterlagen, die bei der Polizei existierten, vernichtet werden sollten. Soweit dies nicht vor Ort umgesetzt werden konnte, wurden die Akten in einer Zuckerfabrik bei Helmstedt verbrannt.

Am 10. April erging die Anordnung, dass sich die gesamte Schutzpolizei, unter der Führung des SS-Standartenführers und Polizeipräsidenten Fuchs, sammeln und in den Elm zurückziehen solle. Dort sollte eine Front gegen die anrückenden Amerikaner gebildet werden. D. h., dass fast die gesamte Polizei die Stadt verließ und sie weitestgehend schutzlos ihrem
Schicksal überließ.

Dort im Elm wurden sie jedoch von Jagdflugzeugen angegriffen und sahen wohl auch bald die Sinnlosigkeit ihres Unternehmens ein. Einzeln schlugen sie sich durch und kehrten nach Braunschweig zurück. SS-Standartenführer
Fuchs setzte sich ab und tauchte nicht wieder auf.

Etwa zur gleichen Zeit hatten sich auch die verantwortlichen Größen der Partei und der Stadtverwaltung bereits aus Braunschweig abgesetzt. Oberbürgermeister Mertens hatte sich in seinem Dienstzimmer erschossen und Kreisleiter Heilig ernannte den Ministerpräsidenten Klagges zum Oberbürgermeister der Stadt. Klagges seinerseits war nicht zum Helden geboren und suchte ebenfalls das Weite. Vorher ernannte er den Juristen Dr. Erich Bockler zum Oberbürgermeister. Den Polizeihauptmann Karl Stahl, der die Kriegsjahre über verantwortlich im Luftschutz gearbeitet hatte, ernannte er zum kommissarischen Polizeipräsidenten und beauftragte ihn mit der Führung der Schutzpolizei.

Die noch in Stadt verbliebenen Polizeibeamten saßen unterdessen im Bunker in der Münzstrasse. Hier fassten Dr. Bockler und Karl Stahl den Entschluss, die Stadt nicht zu verteidigen, um sinnloses Blutvergießen zu vermeiden. Stattdessen sollte die Stadt kampflos übergeben werden. Aus diesem Grund wurden Patrouillen entsandt, die Kontakt zu den Amerikaner aufnehmen sollten. Noch in der Nacht des 12. April fand die Übergabe der Stadt im Polizeibunker statt. Der Krieg war für Braunschweig beendet.

Stunde Null ?

Alle Polizeibeamten mussten auf Geheiß der amerikanischen Militärregierung ihre Waffen abgeben. Die nächsten Tage waren von Chaos geprägt. Ehemalige Gefangene, Lagerinsassen und auch weite Teile der deutschen Bevölkerung hielten die Zeit für gekommen, sich alles Brauchbare anzueignen. Plünderungen und Zerstörungen von Geschäften und öffentlichen Gebäuden folgten. Der noch amtierende Interimspolizeipräsident Stahl hatte aus den verbliebenen Polizeibeamten einen Ordnungsdienst gebildet und handelte eigenmächtig. Dies brachte ihm einen Prozess vor dem Militärgericht ein, der allerdings mit einem Freispruch endete, weil er belegen konnte, dass er lediglich Plünderungen habe verhindern wollen.

In der Zwischenzeit war die Militärregierung nicht untätig. Alle Beamten mussten einen Fragebogen ausfüllen und für den 18. April waren alle Beamten, die der NSDAP angehörten in das Polizeipräsidium in der Münzstrasse bestellt worden. Hier wurde ihnen eröffnet, dass man auf ihre Mitarbeit keinen Wert mehr lege und sie entlassen seien. Es betraf 90 Beamte. Zu ihnen gehörte auch der Interimspräsident Stahl.

 

Neuanfang

Schon am Tag nach der Besetzung durch die amerikanischen Truppen meldeten sich ehemalige Polizeibeamte, die 1933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen worden waren (in Braunschweig auch schon früher aus politischen Gründen möglich). Sie suchten um Anstellung im Polizeidienst nach und wurden bereitwillig
aufgenommen. Sie waren in der Regel Sozialdemokraten und damit unbelastet. Aus ihnen bildete sich der Kern der neuen Polizei.

Den alliierten Militärbefehlshabern war daran gelegen, möglichst schnell wieder eine funktionierende Verwaltung aufzubauen. Es ist bekannt, dass man schon früh über geeignete Personen Erkenntnisse hatte, die nach einer Niederschlagung des Nazi-Reiches Verantwortung übernehmen sollten. Letzte Erkenntnisse erhielten sie von Widerstandsgruppen. So verwundert es nicht, dass schon einen Tage nach der Besetzung der Stadt ein amerikanischer Jeep zur Fasanenstraße fuhr und eine Delegation amerikanischer Offiziere den 67jährigen Wilhelm Buchterkirchen aufforderte, das Amt des Polizeipräsidenten zu übernehmen und eine Polizeiverwaltung aufzubauen.

Wilhelm Buchterkirchen fuhr mit in das Polizeipräsidium in der Münzstrasse. Hier hatte er schon als herzoglich braunschweigischer Polizeisergeant gedient, war später in Hildesheim und Wuppertal, wo er nicht nur schnell Karriere machte, sondern auch der SPD beitrat. Als 1920 in Braunschweig der Posten des Polizeipräsidenten vakant war, entschied man sich für ihn. Er hatte dieses Amt bis 1922 inne, stolperte dann allerdings über eine politische Intrige und legte das Amt nieder. Er gründete zunächst eine Leihbücherei und später eine Detektei. 1933 wurden ihm die erworbenen Anrechte für die Altersversorgung aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aberkannt. 1942 wurde ihm ein Berufsverbot erteilt, weil er mit einer Jüdin verheiratet war. 1944 wurde er mehrmals zur Gestapo vorgeladen und aufgefordert, sich von seiner jüdische Frau scheiden zu lassen. Dies lehnte er ab. Er wurde in Haft genommen und in ein Arbeitslager bei Blankenburg gebracht, wo er unter Tage arbeiten musste. Seine Frau wurde in das berüchtigte Lager 21 in Salzgitter gebracht und schwer misshandelt. Zwar wurde sie im Januar 1945 entlassen, doch zerstört an Leib und Seele nahm sie sich das Leben. Wilhelm Buchterkirchen erfuhr davon. Ihm gelang, vermutlich mit Hilfe eines SS-Wachmannes, die Flucht aus dem Lager. Mit Hilfe von Freunden konnte er sich verborgen halten und schlich sich kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen heimlich in seine Wohnung in der Fasanenstraße in Braunschweig.

Am 18. April übernahm Wilhelm Buchterkirchen das Amt des Polizeipräsidenten.

Heinrich Klages
Heinrich Klages
Wilhelm Buchterkirchen
Wilhelm Buchterkirchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwei Tage später wurde Heinrich Klages zu seinem Vertreter und gleichzeitig Kommandeur der Schutzpolizei berufen. Auch Klages diente schon in der herzoglich braunschweigischen Polizei, wurde später Leutnant und vermutlich auch Opfer einer politischen Intrige, die 1926 vorübergehend zur Entfernung aus dem Dienst führte. Klages war, wie Buchterkirchen Mitglied der SPD. Er wurde 1927 durch die neue sozialdemokratische Landesregierung wieder in den Dienst eingestellt.

1930 wurde er aus Altersgründen in den Ruhestand versetzt.
Er gehörte zu denen, die sich im April 1945 freiwillig im Polizeipräsidium meldeten und ihre Dienste anboten. Obwohl schon 64 Jahre alt wurde er eingestellt.

Als Polizeipräsident Buchterkirchen am 25. September 1945 aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niederlegen musste (Haftbedingungen), wurde Heinrich Klages sein Nachfolger. Dieses Amt hieß nun nicht mehr Polizeipräsident, sondern „Chef der Polizei“. Er blieb dies bis zum 31. August 1947.

 

Die ersten Tage

Der ersten Entlassung von 90 Polizeibeamten vom 18. April folgte am 31. Mai eine weitere: 353 Beamte wurden entlassen. Als Grund genügte die Mitgliedschaft in der NSDAP. Eine genauere Prüfung erfolgte nicht. Etliche davon waren im Kriegseinsatz und noch nicht wieder in die Heimat zurückgekehrt. Die Entlassungen hatten zur Folge, dass für einen Neuaufbau nur etwa 30 erfahrene Beamte zur Verfügung standen. In den nächsten Tagen und Wochen wurde faktisch die gesamte Polizei personell erneuert. Bewerber aus allen Berufsgruppen, viele Soldaten, meldeten sich für den Polizeidienst. Das hatte einen einfachen Grund: Die Polizei versah Schichtdienst. Eine Voraussetzung für die höchste Stufe der Lebensmittelkarte, die für Schwerstarbeiter. Diese Karte erhielten sonst nur Berufsgruppen, die schwerste körperliche Arbeit leisten mussten. So war es an der Tagesordnung, dass völlig unausgebildete Anwärter für den Polizeidienst auf der Straße Dienst versahen. Mit etwas Glück konnte ihnen ein älterer und erfahrener Polizeibeamter zur Seite gestellt werden.

Es ist überliefert, dass junge Dienstanfänger auf die Frage, wie sich verhalten sollten, falls ein Einschreiten erforderlich werden sollten, mit den Worten „Denken Sie an die 10 Gebote“ auf Streife geschickt wurden.

Uniformen gab es nicht. Man trug eine Armbinde mit der Aufschrift „MG Military Government –Police-“. Als sonstige Ausrüstung gab es einen Holzknüppel, eine Trillerpfeife und einen Dienstausweis.
Ab Juli wurden für die Anwärter 10-tägige Lehrgänge abgehalten.

Bereits zum 1.10.1945 war es möglich, die Polizei in der Stadt Braunschweig mit einer Uniform auszustatten. Sie war grün bzw. grün/schwarz.

 

Unter britischer Verwaltung

Keineswegs überliess man es der Verwaltung, sich selbst zu reorganisieren.
Die entscheidenden Weichenstellungen lagen bei der britischen Militärregierung. Für den Aufbau einer demokratischen Polizei waren eigens britische Polizeioffiziere in Deutschland eingesetzt. Zuständig für das Land Braunschweig der „Superior Public Safety Officer“ -SPSO-. Nach britischem Vorbild wurde die Polizei dem Oberbürgermeister unterstellt. In diesem Fall war das Ernst Böhme. Jener Ernst Böhme, der 1933 von den Nationalsozialisten zur Amtsniederlegung gezwungen und förmlich aus dem Rathaus vertrieben worden war. Seine Funktion war eher verwaltungstechnischer Art. Weisungsbefugnis in polizeilichen Fragen stand ihm nicht zu.
Die Polizei war also eine städtische Einrichtung.
Das bedeutete ein Abtretung von Verwaltungsaufgaben, wie Gewerbeabteilung und Meldeangelegenheiten. Dafür sollten zukünftig die kommunalen Verwaltungen zuständig sein. Die Polizei war damit lediglich noch für Exekutivaufgaben zuständig. Umgesetzt wurde dies zum 1.1.1946.
Am 1. 11.1946 wurde auf britische Weisung des Land Niedersachsen gegründet.

Organisatorisch änderte sich für die Polizei zunächst nichts, sie blieb städtisch. Allerdings erhielt sie neue Uniformen, die nun landesweit Verwendung fanden. Es waren dunkelblau eingefärbte britische Militäruniformen. Zudem musste ein Brustschild aus Aluminium getragen werden, dass die Dienstnummer des Beamten zeigte.

Ein weiterer wichtiger Schritt für den Aufbau der Polizei erfolgte am 1.1.1947 durch die Verordnung Nr. 57 der Militärregierung. Sie beinhaltete das „Übergangsgesetz zur Übernahme der Polizeigewalt auf deutsche Träger“. Es trat am 1. April 1947 in Kraft und ordnete an, dass in jedem niedersächsischen Regierungs bzw. Verwaltungsbezirk und in den Städten Hannover und Braunschweig „Polizeiausschüsse“ zu bilden waren. Sie bestanden aus Mitgliedern der jeweiligen Gemeinderäte der Landkreise bzw. des Stadtrates und umfassten 9 Mitglieder.
Damit zog sich die Militärregierung weitestgehend aus der Verantwortung zurück.
Der städtische Polizeiausschuss war zuständig für alle Belange und verantwortlich für die „Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Polizei“.
Weisungsbefugt war nun bereits der Innenminister des Landes Niedersachsen.

Am 1.9.1947 wurde der Chef der Polizei Klages, in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger wurde Dr. Horst Baerensprung. Einer Familientradition folgend, wurde er 1911 Berufsoffizier und nahm am 1. Weltkrieg teil. Unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse wurde er Sozialist und war 1918 Mitglied des Soldatenrates in Halberstadt. 1922 beendete er sein Jurastudium in Göttingen. Er war inzwischen SPD-Mitglied. Er ist außerdem Gründungsmitglied des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ in Magdeburg und vertrat als Rechtsanwalt häufig deren Mitglieder vor Gericht.

1930 wurde er zum Polizeipräsidenten in Magdeburg ernannt und machte dort als Reformer von sich reden. 1932 veranlasste er die Magdeburger Polizei zu einem energischen Eingreifen gegen die SA und SS. In der Folge wurde er von seinem Posten abgelöst und kam zeitweilig sogar in Haft. 1933 plante die SA ein Rache-Attentat auf ihn. Baerensprung floh und
verließ Deutschland. Er emigrierte über China in die USA und war später als Dozent an der Harvard-Universität tätig. Während des Krieges engagierte sich Baerensprung in verschiedenen antifaschistischen Organisationen und als Sprecher in amerikanischen Rundfunksendungen für Deutschland.
1946 kehrte er nach Deutschland zurück. Er blieb bis 1951 im Amt.

Dr. Horst Baerensprung
Dr. Horst Baerensprung

In seine Amtszeit fiel u. a. der Aufbau eines Funkstreifendienstes. Bisher waren die Beamten überwiegend zu Fuß unterwegs. Im Zuge zunehmender Straftaten und des zunehmenden Kraftfahrzeugverkehrs wurde dieser 1948 als eigene Dienststelle gegründet. Das damals Besondere war die Erreichbarkeit über Funk und die Errichtung einer Einsatzzentrale. Braunschweig war damit, nach Hamburg, die zweite Stadt in Deutschland mit einer derartigen Einrichtung.

Wie bereits erwähnt, war am 1.11.1946 das Land Niedersachsen gebildet worden. Am 9. Dezember traten die von der britischen Militärregierung ernannten Abgeordneten zusammen und am 20. April 1947 fanden die ersten Landtagswahlen statt. Sie führten zu einer Allparteienregierung unter Hinrich-Wilhelm Kopf.

Als erstes Land der Bundesrepublik stellte Niedersachsen das Polizeirecht mit dem „Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vom 21. März 1951 auf eine neue Grundlage. Es löste die Übergangsregelungen ab, hielt aber an dem Grundsatz der Besatzungsmächte fest, nämlich dass eine „Entpolizeilichung“ durchgeführt werden sollte. Die Aufgaben der Verwaltungsbehörden waren auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr klar von denen der Polizei getrennt. Die Polizei war zuständig für Maßnahmen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für unaufschiebbar hielt.

Das Gesetz betonte aber auch, dass die Polizei Angelegenheit des Landes sei und benannte die Behörden, die auch Polizeibehörden waren. Es waren die Regierungs- bzw. Verwaltungspräsidenten, die Polizeidirektionen Hannover und Braunschweig, das Landeskriminalamt und das Wasserschutzpolizeiamt.

Diese im Jahr 1951 festgelegte Organisationsform war mehrfachen Wandlungen unterworfen. Bestand hatte sie in ihren wesentlichen Teilen bis zum Jahr 2004.

Die Überführung der bis dahin städtischen- und verwaltungsbezirklichen Polizeien in Niedersachsen, brachte die Einführung einer neuen einheitlichen Uniform mit sich. Die blau eingefärbten englischen Militäruniformen wurden abgelöst durch eine blau-graue Uniform, die bis 1977 getragen wurde.

Damit ist unser kurzer Streifzug durch die Geschichte des Wiederaufbaus der Polizei in Braunschweig fast beendet.

Ich möchte jedoch abschließend eine Frage aufwerfen und auch beantworten, die sich vielleicht mancher Leser stellt: Was wurde aus den entlassenen Nazis, gab es Nazis bei der neuaufgebauten Polizei?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten. Tatsächlich wurden im April 1945 alle Polizeiangehörigen, die Mitglied der NSDAP waren, entlassen. Es folgte ein von den Briten betriebenes Entnazifizierungsverfahren, in dessen Verlauf nach und nach alle wieder eingestellt wurden, die lediglich als Mitläufer mit geringer Schuld angesehen wurden. Die Briten übertrugen dieses Verfahren 1947 an deutsche Dienststellen, die ähnlich verfuhren. Nicht wieder eingestellt wurden Angehörige der SS und Polizeioffiziere.
Das änderte sich 1951.
Der Bundestag beschloss im April 1951 mit der Mehrheit aller Parteien (auch KPD) eine Grundgesetzänderung. Eingefügt wurde der Artikel 131, der besagte, dass die Rechtsverhältnisse aller Personen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, durch Bundesgesetz zu regeln seien.
Das bedeutete, dass alle, die nicht als Hauptschuldige oder Belastete aus dem Entnazifizierungsverfahren hervorgegangen waren, sondern als Minderbelastete oder Mitläufer, einen Rechtsanspruch auf Einstellung hatten. Nicht nur bei der Polizei, sondern im gesamten öffentlichen Dienst.
Dies hatte seine Ursache sicherlich auch vor der Tatsache, dass sich die Welt im „Kalten Krieg“ befand.
Tatsächlich ist es auf diese Weise vielen gelungen, wieder eingestellt zu werden. Viele Akten waren verschwunden oder gerade bei Vertriebenen und Flüchtlingen für bundesdeutsche Behörden nicht zugänglich, so dass der Beweis des Gegenteils oftmals nicht geführt werden konnte.
Bei meinen Recherchen fand ich daher viele auffallend „saubere“ Personalakten. So finden sich kaum Dokumente mit einem Hakenkreuz.
Falls es sie gab, wurden sie abgeschrieben, beglaubigt und die Originale vernichtet. Auch finden sich zahllose Bestätigungen über Dienstzeiten, Aufenthaltsorte und Unbedenklichkeitsaussagen von Zeugen, denen irgendwie der Ruch von Gefälligkeit anhängt.
Es gibt aber auch Akten über SS-Angehörige, Angehörige des Polizeibataillons und Polizeioffiziere, denen die Wiedereinstellung versagt wurde.

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