Geschichte der Polizei Wildeshausen

18.12.2014 | Kategorien: PoliZeitGeschichten
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Abschiedsfeier

Autor: Manfred Rautenberg

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich im Oldenburger Land eine eigenständige Polizei – erst als „Corps der Policeydragoner“ , dann als Landdragonercorps und ab 1867 als „Gendarmeriekorps Oldenburg“.

Viel hat sich aus dieser Zeit nicht erhalten, aber am besten kann man die Wildeshauser Polizeigeschichte am alten Amtshaus an der Herrlichkeit 13 festmachen. Das Haus wurde 1730 fertiggestellt und diente als Amtssitz des Vorstehers des Amtes Wildeshausen. Dieser Amtsvorsteher war neben dem militärischen Vorgesetzten der zivile Vorgesetzte der Gendarmeriebeamten. Als Amtsvorsteher war er Verwaltungs-, Polizeichef und Richter. Erst 1858 wurden die Funktionen getrennt.

Dienststellenschild 1867-1919
Dienststellenschild 1867-1919

Damals dürften die Gendarmeriebeamten recht häufig dienstlich dort gewesen sein, heute ist dort eine Gaststätte und man ist dort eher privat oder zu einer dienstlichen Besprechung in ansprechenden Räumlichkeiten. Die Internetseite des „Alten Amtshauses“ bietet auf seiner Internetseite dem interessierten Leser viel Hintergrundwissen zu diesem Thema.

Haus 13
Haus 13
Haus 15
Haus 15
Haus 9
Haus 9
Haus 11
Haus 11

Über die räumliche Unterbringung der Gendarmeriebeamten schweigen die Quellen. Erst ein Artikel der NWZ vom 22.10.1953  wird hier konkreter: „Odysee der Polizei Wildeshausen. Vor genau fünf Jahren bezog der Polizeiabschnitt Landkreis Oldenburg sein jetziges Dienstgebäude hinter der Alexanderkirche in Wildeshausen. Die Männer des Polizeistabes mußten nach der Kapitulation wiederholt umziehen. Vom Sitzungssaal des Rathauses siedelte man in den Walsemannschen Laden, von da ins Zollamt über. Das zerfallene Amtsgericht, in dem Dach und Treppen fehlten und wo die Polen alles Holz verfeuert hatten, war die nächste, die Berufsschule die vorletzte Station auf dem Wege zur nun fünfjährigen Seßhaftigkeit an der Herrlichkeit 9.“

Anmerkung des Verfassers: Dem damaligen Schreiber des Zeitungsartikels dürfte bei der Anschrift „Herrlichkeit 9“ ein Tippfehler u.ä. unterlaufen sein, denn bei dem genannten Gebäude handelt es sich um die „Herrlichkeit 11“.

Das Dienstgebäude Herrlichkeit 11 wurde 1914 als „Schließerei“  erbaut und laut obigen Artikel 1948 von der jetzigen Landespolizei Niedersachsen bezogen. Das heutige Polizeidienstgebäude Herrlichkeit 15 wurde 1893 als Amtsgericht und das ebenfalls als Polizeigebäude genutzte Haus Herrlichkeit 9 1918 als Gehörlosenschule erbaut. Das etwas abgesetzte Polizeidienstgebäude Heemstraße 72 wurde zwischen 1938 und 1940 als Dienstwohnung des Amtsrichters und dessen Familie erbaut.

Licht auf die Geschehnisse in der Huntestadt im Zuge der Novemberrevolution 1918/19 warf am 21.11.2018 ein Vortrag von Peter Heinken im Rathaus der Stadt.

Die ehrenwerten Herren auf dem nachfolgenden Foto versahen in den 1930er Jahren in Wildeshausen ihren Dienst und dürften auch den einen oder anderen in dem noch heute erhaltenen Zellentrakt in der Herrlichkeit 11 untergebracht haben.

Gendarmeriebeamte in den 1930er Jahren in Wildeshausen
Gendarmeriebeamte in den 1930er Jahren in Wildeshausen

Das Hauptverkehrsmittel der damaligen Kollegen war das Fahrrad, was natürlich mit der Zeit nicht mehr ausreichte und im August 1926 stellte der damalige Dienststellenleiter einen Antrag auf Beschaffung eines Dienstkrades. Dienstfahrräder und Dienstkräder sind noch heute im Dienst, man sieht sie aber eher selten.

Die Zeit des Nationalsozialmus und seiner Verbrechen machte auch vor der Wildeshauser Polizei nicht halt. Im Rahmen der Verhaftungswelle nach der Reichspogromnacht (Quelle: NWZ Nr. 263/ Delmenhorst 2010)  wurden auch Wildeshauser Bürger jüdischen Glaubens verhaftet. Ihr Weg in die Konzentrations- und Vernichtungslager führte über das Delmenhorster Gefängnis. Heute mahnt eine Stele in der Huntestraße in Wildeshausen.

Und wir standen alle da und schauten zu
Und wir standen alle da und schauten zu

Auch hat sich eine bemerkenswertes Dokument über die Zeit gerettet- die Kapitulationsanweisung für die hiesige Gendarmerie

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges steht die Wildeshauser Polizei im Dienst der englischen Militärregierung und von der wird der Polizeiinspektor Baars als Leiter eingesetzt. Der Polizeiinspektor Baars hat seine dienstliche Laufbahn als Gendarmeriebeamter des Oldenburger Gendarmeriekorps begonnen und lange Jahre im Raum Ganderkesee seinen Dienst versehen. 1952 wird er pensioniert und gibt in den Räumen der Herrlichkeit 11 seinen Abschied. Dem aufmerksamen Betrachter dürfte auf den Fotografien nicht entgehen, dass die damaligen Fenster noch heute dort zu finden sind.

Abschiedsfeier
Abschiedsfeier

Heute ist die Wildeshauser Polizei Teil der Polizeiinspektion Delmenhorst und verteilt sich auf insgesamt vier Häuser, die sich in parkähnlicher Landschaft um die Keimzelle gruppieren.

Die seit Jahrzehnten immer wieder hochkommenden Neubaupläne werden sicherlich noch lange Jahre brauchen, bis die Wildeshauser Polizeigeschichte an einem anderen Ort als der Herrlichkeit geschrieben wird.

PHK Manfred Rautenberg (2012)

Nachtrag:

Die Schlussworte des Beitrages schrieb ich 2012 und es war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar, welche Entwicklung sich in Bezug auf ein neues Dienstgebäude realisieren würde. Im Jahr 2021 war es dann nach langem Warten soweit, die Polizei zog in ein „neues“ Gebäude im Gewerbegebiet am Stadtrand in Wildeshausen um, in die Daimlerstraße 7a. Nach wechselvollen Jahren von Wachstum und Entwicklung zu mehreren Dienstgebäuden hin konnte die Polizei in Wildeshausen in ein praktisches und zeitgemäßes Gebäude umziehen.

Allerdings vorbei sind die dienstlichen Gänge unter alten Bäumen an einem geschichtsträchtigen Ort, um die Dienstpost zu tauschen oder einen Festgenommenen aus der Gewahrsamszelle zur erkennungsdienstlichen Behandlung zu bringen. Die dazu nötigen Bäume müssen am neuen Standort noch gepflanzt werden und …wachsen!

Nur ein Kontaktbeamter mit einem Büro im Rathaus verbleibt im Ort. Eigentlich wie früher.

Neubau am Stadtrand von Wildeshausen (Foto: M. Rautenberg)

https://www.kreiszeitung.de/lokales/oldenburg/wildeshausen-ort49926/polizei-wildeshausen-zieht-um-an-der-herrlichkeit-endet-eine-aera-90833818.html

https://www.pd-ol.polizei-nds.de/dienststellen/polizeiinspektion_delmenhorst_oldenburg_land/polizeikommissariate/polizeikommissariat-wildeshausen-203.html

PHK a.D. Manfred Rautenberg (2021 – redaktionell überarbeitet 2023)

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