Geschichte der Polizeistation Ganderkesee

19.07.2016 | Kategorien: PoliZeitGeschichten
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Autor: Manfred Rautenberg

Einen ersten Einstieg in die allgemeine Geschichte des Dorfes Ganderkesee bietet die Website des Orts-und Heimatsvereins Ganderkesee. Die ersten hier bekannten Erwähnungen einer Polizeidienststelle in der Gemeinde Ganderkesee stammen aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Zeiten davor liegen noch im Dunklen, sind aber aus den allgemeinen Entwicklungen des Polizeiwesens ableitbar.

1787 gründet der Oldenburger Herzog Peter Friedrich Ludwig das „Corps der Policey-Dragoner„, welches im Zuge der französischen Besetzung 1811 aufgelöst wird. Für die kurze Periode der französischen Besetzung werden die polizeilichen Aufgaben von der „Gendarmerie Imperiale“ mit Standort in Bremen ausgeübt. Nach dem Ende der Besatzungszeit ersteht das „Corps der Landdragoner“ 1817 mit 36 Dienstpferden wieder auf und ist Vorläufer des „Großherzoglichen Oldenburger Gendarmeriekorps“(1867). Als Gendarmerie wird eine militärische Einheit mit Polizeiaufgaben, von frz. „gens d‘ armes“ = „bewaffnete Männer/ Leute“, bezeichnet und somit wird auf gut oldenburgisch ausgesprochen der Landschutzmann zum “Schendarm“.

In der Zeit der Landdragoner (ab 1817) hat Ganderkesee noch keine eigene Polizeidienststelle. Die Dienststelle des Berittes liegt in Varrelgraben und es werden regelmäßige Patrouillen geritten, die Delmenhorst, Ganderkesee und Berne abdecken. Der Landdragoner führt u.a. dabei sein Dienstbuch mit sich (365 Seiten, 1 Seite pro Tag) und läßt sich seine Ritte bei den Gemeindevorstehern abzeichnen. Der Dienstpostverkehr läuft ähnlich wie heute ab. Der Delmenhorster Reiter trifft sich am Correspondenzstandort Hengsterholz mit dem Wildeshauser Reiter und die Berichte werden übergeben.

Dienststellenschild 1867 - 1919
Dienststellenschild 1867 – 1919

Durch Verwaltungsneuordnungen wird 1824 der Verwaltungssitz für die Gemeinden Ganderkesee und Hude nach Falkenburg als Verwaltungsmittelpunkt verlegt. Heute ist dort ein Café. Ab wann genau Ganderkesee einen eigenen Gendarmerieposten bekommt ist für diese Zeiten unbekannt, dürfte aber erst Ende des 19. Jahrhunderts erfolgt sein.

Dienststelle Falkenburg
Dienststelle Falkenburg

Seit 1902/03 ist der zuständige Gendarmerieposten für die Gemeinde Ganderkesee in Falkenburg, in der Hauptstraße 12, ansässig. Er wird als Neubau mit Pferdestallanbau für einen Gendarmen, dessen Familie und ein Dienstpferd erbaut, welches ihm für seine dienstlichen Reisen zur Verfügung steht. Das Haus existiert heute noch und steht gegenüber der Falkenburger Bäckerei Ruge.

Gendarm Baars um 1910
Gendarm Baars um 1910

1916 wird der Gendarmeriemeister Hermann Baars mit Familie zum Posten Falkenburg versetzt und bleibt dort lange Jahre.

Polizeistation Falkenburg 1939
Polizeistation Falkenburg 1939

1937 mietet der Gendarmeriebeamte Ulrich Gastler den Neubau Haupstraße 16, rechts vom Lutherstift, für sich und seine Familie und führt von dort die Amtsgeschäfte, was häufiger auch die Aufnahme von Verkehrsunfällen auf der Reichsstraße 75 bedeutet. Das Haus steht heute noch, nur leicht verändert.

Zeitungsartikel: Polizeidienst fand ein abruptes Ende (Delmenhorster Kreisblatt 11.02.2012)

Zeitungsartikel: Als 17-jähriger beim Freicorps (Delmenhorster Kreisblatt 04.02.2012)

In den 50er Jahren ist der Posten Falkenburg in der Hasbruchstraße beheimatet. Ein Gendarmerieposten Bookholzberg ist 1936 und davor belegbar und zwar im Haus des Gendarmeriebeamten Richard Menke im Gesinenweg 3. Auch in der Zeit davor gibt es dort einen Posten , allerdings in den Häusern Huder Straße 13 und Stenumer Straße 26.

Ab 1927 hat Ganderkesee in der Grüppenbührener Straße 10 eine Gendarmeriedienststelle. Das Haus wurde von der Gemeinde für 12000 RM gekauft und wich 2014 dem Neubau eines Drogeriemarktes. Zu dieser Zeit erledigt der Gendarmeriebeamte seine Dienstfahrten mit einem Motorrad, allerdings noch ohne Helm.

Lindenstraße 1940
Lindenstraße 1940

Die Zeit des Nationalsozialismus fordert auch hier ihre Opfer. Nach der Reichsprogromnacht wird die jüdische Familie Alexander aus Ganderkesee verhaftet und ins Gefängnis nach Delmenhorst zum Abtransport in die Konzentrations- und Vernichtungslager gebracht.

Seit 1993 erinnert in Ganderkesee an der Ecke Lange Straße/ Ring ein Gedenkstein an das Schicksal dieser Familie, die an dieser Stelle ihr Haus hatte.

(c) Rautenberg

Die Zeit des 2. Weltkrieges wird von den hiesigen Gendarmen sehr unterschiedlich erlebt. Der Gendarmeriebeamte Baars bleibt während der gesamten Kriegszeit in seiner Heimatgemeinde. Der Gendarmeriebeamte Schülke erlebt diese Zeit als Mitglied des 1. Polizei- Schützenregiments an zahlreichen Kriegsschauplätzen. Und der Gendarmeriebeamte Gastler versieht Gendarmeriedienst im Bereich Bialystok/ Polen.

Schülke im Büro der Polizeistation Schierbrok um 1955
Schülke im Büro der Polizeistation Schierbrok um 1955

Mit Kriegsende unterstehen die Ganderkeseer Gendarmeriebeamten der englischen Militärverwaltung, die im Delmenhorster Rathaus residiert, und die Militärverwaltung setzt den Gendarmeriebeamten Baars als Chef der Landkreispolizei in Wildeshausen ein. Nach Ende des 2. Weltkrieges durchlaufen alle Polizeibeamten das Entnazifizierungsverfahren und die Gendarmerie wird in die neue Schutzpolizei des Landes Niedersachsen überführt.            Nach seiner Pensionierung hat der oben erwähnte Gendarmeriebeamte Baars Polizeioberinspektor im Ruhestand seine Erinnerungen (Baars Aufzeichnungen) an die Kriegszeit aufgeschrieben.

Durch das Wachsen der Bevölkerungszahlen Ganderkesees, wächst auch die Polizei und wird in einem Polizeirevier in der Grüppenbührener Straße 10 zusammengefaßt. Die kleinen Polizeiposten Falkenburg, Bookholzberg und Schierbrok bleiben zunächst bestehen. Ende der 50er Jahre hat die Polizei Ganderkesee ihre räumlich größte Ausdehnung und bildet innerhalb des Polizeiabschnitts Landkreis Oldenburg das Landrevier Ganderkesee mit den nachgeordneten Dienststellen:

  • Polizeistation (M) Ganderkesee
  • Polizeistation (M) Hude
  • Polizeistation (M) Stuhr
  • Polizeistation (E) Falkenburg
  • Polizeistation (E) Wüsting
  • Polizeistation (E) Schierbrok
  • Polizeistation (E) Bookholzberg
  • Polizeistation (E) Falkenburg und der
  • Polizeistation (E) Hasbergen

Die kleinen Posten werden in den 60er Jahren im Zuge von Reformen geschlossen und die Beamten in Ganderkesee zusammengezogen, die Dienststellen in Hasbergen. Stuhr, Hude und Wüsting gehören nicht mehr dazu. Die Dienststelle in Bookholzberg wird geschlossen.

1992 wird wegen des Platzmangels in der Dienststelle in Ganderkesee wieder eine Polizeistation in Bookholzberg eingerichtet. Dort versehen heute zwei Beamte ihren Dienst. Ab 1994 verstärken Kriminalbeamte die Polizei Ganderkesee und die Dienststelle wird zum Polizeikommissariat, was letzendlich wegen des erheblichen Platzmangels 1996/97 zu einem Neubau führt. Seitdem ist sie in einem Seitenflügel des Rathauses untergebracht, wird aber im Rahmen weiterer Reformen ab 2003 wieder zur Polizeistation.

Den Nutzern des behördeneigenen Intranets bietet die Polizeiinspektion Delmenhorst vertiefende Informationen auf ihren Seiten.

PHK Manfred Rautenberg, PSt Ganderkesee

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