Räume des alten Kriminalmuseums in Hannover entdeckt

06.10.2016 | Kategorien: PoliZeitGeschichten
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Autor: Dr. D. Götting

Manches Ding braucht seine Zeit, damit es gelingt – und dann muss auch noch die Gelegenheit stimmen und eine richtige Portion Glück dabei sein. So ein besonderer Umstand ereignete sich bei der Suche nach dem Verbleib des alten Kriminalmuseums, dem Vorgänger unseres heutigen Polizeimuseums in Nienburg.

Im Jahr 2001 erfuhr ich mit Erstaunen, dass es bereits im Kaiserreich ein Kriminalmuseum im Dienstgebäude des Polizeipräsidiums in Hannover gegeben hatte. Doch ist darüber nur wenig bekannt und kaum ein Exponat hat die Zeiten überdauert. Ein undeutliches Schwarzweißfoto aus einem Zeitungsartikel von 1926 liefert einen der wenigen bildlichen Beweise für die Existenz dieses Museums.

Achim Ulber mit einer Thementafel aus der ehemaligen Ausstellung
Achim Ulber mit einer Thementafel aus der ehemaligen Ausstellung

Denn nur kurze Zeit nach Erscheinen dieses Zeitungsartikels schlossen die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren interessierte Besucher von der Besichtigung aus, weil Kriminalität aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannt werden sollte. Es blieb das Museum jedoch als reine Lehrsammlung für die Ausbildung von Kriminalbeamten
erhalten.

Solange, bis 1944 schließlich die Räume für eine Seidenraupenzucht benötigt wurden. Ja – richtig gelesen – für eine Seidenraupenzucht! Eine reine Propagandamaßnahme der Nationalsozilisten, um den Glauben an einen Endsieg aufrecht zu erhalten. Man wollte tatsächlich Rohseide für Fallschirme im Polizeigebäude herstellen.

Doch konnten auch die Seidenraupen im Polizeidienst das Kriegsende nicht verhindern und es blieben statt versprochenem Glanz und Gloria nur Elend und Trümmer übrig. Auch das Polizeidienstgebäude in der Hardenbergstraße war teilzerstört und jeder halbwegs intakte Raum wurde für den Dienstbetrieb benötigt. Für ein Museum war wohl kein Platz mehr – oder doch?

Vor einiger Zeit berichtete mir nämlich ein Zeitzeuge, dass erst Mitte der 1970er Jahre die Reste des Museums auf dem Innenhof der Direktion gelegen hätten. Jeder der etwas davon gebrauchen konnte, durfte sich bedienen. Quasi zur Bestätigung zeigte mir der ehemalige Kriminalbeamte hochinteressante kriminalpolizeiliche Literatur und Vorschriften, die zweifelsfrei aus dem Museum stammten und sich jetzt in seinem Privatbesitz befinden. Gut, dass es die Dinge noch gibt, aber schade dass sie nicht mehr zum heutigen Museumsbestand gehören. Aber nicht zu ändern.

Doch blieb die Frage, wo dieses Museum bis dahin eigentlich untergebracht war und ob es vielleicht noch Hinweise darauf bis heute geben könnte?

Erst der Zufall brachte die Erkenntnis. Als nämlich in diesem Jahr Mitarbeiter des Stabsbereichs der Polizeidirektion in einer alten Aktenkammer auf dem Dachboden des Dienstgebäudes Raum für neue alte Akten schaffen wollten, informierten sie in vorbildlicher Art das Polizeimuseum. Als ich schließlich mit meinem ehrenamtlichen
Mitstreiter Achim Ulber über eine steile Treppe die Kammer unter dem Dach erreichte, war uns sofort klar, dass es sich nicht um einen einfachen Bodenraum handeln konnte. Die Wände waren verputzt, gestrichen und mit farbigen Leisten dekoriert. Bunte Zeichnungen stellten polizeiliche Szenen aus verschiedenen Zeitepochen dar. Als wir dann noch einige an dünnen Ketten aufgehängte Thementafeln bemerkten, war schnell klar wo wir waren – in den Räumen des Kriminalmuseums. Letzte Gewissheit brachte ein Blick an die Wand des Treppenaufganges. Hier stand deutlich zu lesen: „Zur Lehrmittelsammlung“.

Kaum jemand schien diesen Schriftzug bislang bemerkt zu haben, was mit Sicherheit der steilen Stiege geschuldet ist. Doch zweifelsfrei steht fest: Es ist wieder da, das alte Kriminalmuseum – zumindest sein letzter Raum unter dem Dach der heutigen Polizeidirektion Hannover.

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